
Unter dem Titel MENSCH – MASSE – MACHT gehen wir in das Taschenopernfestival 2025. Und auch 20 Jahre nach der Gründung sparen wir dabei nicht mit musiktheatralen Überraschungen.
Elena Mendoza, Nikolaus Brass, Bernd Richard Deutsch und Vito Žuraj haben jeweils eigene Teile für das neue Musiktheater komponiert; der Ausgangspunkt für den durchgehend erzählten Abend ist Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“. Schauplatz: ein malerisches Dorf an der ligurischen Küste.
Schon gegen Ende seines Romans „Der Zauberberg“ (1924) stellt Thomas Mann ein Kapitel unter den Titel „Die große Gereiztheit“. Darin beschreibt er kurz und prägnant, was unerwartet, unheimlich schnell und ebenso schleichend sagbar werden konnte – und im Zuge des aufkeimenden italienischen Faschismus wenig später auch ausgeführt werden würde.
Wie unter dem Brennglas verhandelt Mann sechs Jahre später das Verhältnis von Masse, Macht und dem – verbleibenden – Potential für freies Handeln des einzelnen Menschen in der Novelle „Mario und der Zauberer“ (1930). Angesichts einer polarisierten Welt.
Kann es Freiheit des Denkens und Handelns in einer solchen Gegenwart der proklamierten Gegensätze geben? Diese Frage sollte das Thema für die Taschenopern Salzburg 2025 sein. Und dahinter wie immer unsere zentrale Frage an die interdisziplinäre Kunstform: Wieviel Realität braucht/verträgt das Musiktheater der Gegenwart?
Zum ersten Mal übernahm ein Chor jenen Part, der üblicherweise von Instrumenten gespielt wird. Als herausragendes „Orchester der menschlichen Stimmen“ waren 28 Sänger*innen des SWR Vokalensembles aus Stuttgart zu erleben. Zur „musikalischen Masse“ im Bühnengeschehen gehörten darüber hinaus 12 Kinder des wunderbaren Salzburger Festspiele und Theater Kinderchors.
Die Geschichte von „Mario und der Zauberer“, dem Begegnen als Individuum mit der Masse in der heutigen Zeit erzählen uns vier Darsteller*innen aus unterschiedlichen Perspektiven:
Luigi – Maarten Güppertz – greift den Zeitgeist auf; Monetarisierung von touristischen und gewinnbringenden Bedürfnissen, ohne Rücksicht auf menschliche Verluste.
Eigentlich der Chor gewährt uns Einblicke ins Innenleben von Mario – Joshua Miro Ebsen -, Kellner im Exposito, als Eisverkäufer Kinderliebling, emotional zerrissener, unprofessioneller aber absolut überzeugter Schützer seines Heimatortes.
Cipolla – Michael Günther – ist der magnetisch ebenso charmant anziehende wie abstossende Zauberer; Demagoge, der die Masse mit links zum Applaus zu dem (selbstmörderisch gewollten?) finalen Messermord verführt.
Im (wortlosen) Nachspiel „Massenkristall“ erheben sich nochmals die einzelnen Stimmen gegen die Masse; Giulietta (Hermine Schrattenecker) und der Kinderchor kommentieren das Geschehen völlig losgelöst.
Inszeniert von Thierry Bruehl, musikalisch geleitet von Peter Rundel entstand in der Verwebung von Klang und Sprache Musiktheater des 21. Jahrhunderts – als unmittelbar erfahrbarer Ausdruck einer hochkomplexen Zeitstimmung im Zeichen von „Großer Gereiztheit“.




























