Taschenopernfestival Salzburg 2025 im Odeïon Salzburg
Im diesjährigen Taschenopernfestival Salzburg 2025 ereignet sich weder „Oper im Taschenformat“ noch jenes Musiktheater, in welchem interdisziplinäre und mediale Experimente erprobt werden. Nein. In dieser Biennale ersetzt das SWR Vokalensemble aus Stuttgart ein im Orchestergraben agierendes Instrumentalensemble und ist dabei beides zugleich: eine „orchestral-vokale Klangmacht“ und Stellvertreter einer Masse, die sowohl aus der Distanz zum Bühnengeschehen als auch innerhalb des Szenischen seine Wirkung ausstrahlt. Nikolaus Brass, Bernd Richard Deutsch, Elena Mendoza und Vito Žuraj haben die Musik dazu geschrieben. Kompositionen, deren Spannung und Dramatik sich nicht aus themenbezogenen Vorgaben, sondern aus bühnenunabhängigen, innermusikalischen Entscheidungen entwickelt haben. Dennoch machen sie sich verfügbar für das, was auf der Bühne durch die Schauspieler, durch die Interpretation des Regisseurs gespielt, erzählt und gezaubert wird. Die Vokalmusik dramatisiert, färbt und kommentiert also die Bühnenhandlung. Wie Filmmusik das Filmgeschehen. MENSCH MASSE MACHT lautet das über allem stehende Thema. Es ist die Grundlage einer Zusammenführung von vier Vokalwerken und dem Bühnengeschehen des Theaterstücks MASKEN DES BÖSEN, das der Dramaturg des Festivals Hans-Peter Jahn dafür
geschrieben hat.
Thomas Mann, Elias Canetti („Masse und Macht“) und Hannah Arendt („Masse und Gewalt“) liefern den Stoff. Direkt wird dabei Bezug genommen auf Manns Erzählung „Mario und der Zauberer“, in welcher der Magier und Hypnotiseur Cipolla mit seiner diabolischen Macht das heimische Publikum und die Touristen in dem italienischen Badeort Torre di Venere überwältigt und manipuliert. Dabei sucht er sich zwei Opfer aus, die im Stück eine zentrale Rolle spielen: Mario, ein melancholisch-aufrührerischer Barkellner und Luigi, ein gerissener, mafi öser Spekulant. Beide leisten gegen Cipollas Hypnose-Künste Widerstand… mit dramatischen Folgen. Freunde sind die drei Männer also nicht, im Gegenteil: Sie kämpfen mit grundverschiedenen Vorstellungen um die Zukunft des kleinen ligurischen Dorfes, das längst von der Masse des Tourismus abhängig ist. Wolkenkratzer oder Fisch. Investment oder zurück zur Idylle der Naturschönheiten. Eins ist sicher: Die Sonne brüllt.
Thierry Bruehl, Regisseur und künstlerischer Leiter des Festivals inszeniert Gesang und Szenen in großen Bildern. Immer wieder verbreitet sich aber auch der Duft italienischer Opernohrwürmer, die sich durch den „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“ gegenüber dem Machtgehabe der drei Männer unbekümmert süß, mit Wucht zu behaupten verstehen. Und ein Mädchen und seine junge Sängerbagage erzählen dabei ihre ganz eigene Geschichte in dieser sie neugierig machenden konfliktbeladenen Gegenwart.